Zu der Angst kam die Scham – sexueller Missbrauch macht stumm
Für uns war es oft das Beste nicht gesehen zu werden, einfach nur unauffällig zu sein. Keine besondere Aufmerksamkeit zu erregen, dann gerieten wir nicht in die Gefahr, dass unsere beschämende Situation entdeckt wurde.
Niemand sollte erfahren, was uns widerfuhr, was sich wiederkehrend abspielte. Zu groß waren unsere Angst und die Scham für das, was wir erdulden mussten. Als Kinder dachten wir, dass uns niemand glauben würde, dass wir schuldig waren.
Warum haben wir geschwiegen?
Wir haben geschwiegen, weil die Täter uns verboten haben zu sprechen.
Uns wurde gesagt, dass wir an dem Missbrauch schuld sind.
Uns wurde gesagt, dass wir das alles so gewollt haben.
Uns wurde gesagt, wenn wir sprechen, dann wird uns niemand glauben.
Uns wurde gesagt, wenn wir sprechen, dann bricht unsere Familie auseinander.
Uns wurde gesagt, wenn wir sprechen, dann nimmt sich der Täter das Leben und wir sind schuld.
Uns wurde gesagt, dass unsere Mutter krank wird und wir schuld sind.
Uns wurde gesagt, dass unser Haustier sterben wird und wir schuld daran sind.
Uns wurde gesagt, wenn wir sprechen, werden wir bestraft.
Uns wurde gesagt, wenn wir sprechen, spricht niemand mehr mit uns.
Wir wollten nicht, dass der Täter wegen uns ins Gefängnis kommt.
Wir wollten nicht, dass über unsere Familie geredet wird.
Wir wollten nicht, dass unsere Geschwister traurig sind, wenn der Papa weg ist.
Wir wollten unserer Mutter keinen zusätzlichen Kummer machen.
Wir wollten auf keinen Fall, dass jemand in der Schule davon erfährt.
Wir wollten uns nicht für unsere Familie schämen müssen.
Wir wollten nicht, dass die wenigen Freunde, die wir hatten, erfahren, was bei uns passiert.
Wir wollten nicht, dass unsere kleinen Geschwister etwas davon erfahren.
Wir wollten nicht aus Scham im Boden versinken müssen.
Wir wollten einfach nur ein normales Kind mit einer normalen Familie sein.
Wir wussten nicht, ob uns Hilfe zusteht.